Offener Brief an den Präsidenten

Die Richtige Strategie Und Das Richtige Ziel Für Den Sicheren Sieg

Tarih:
Dr.Doğu Perinçek
Dr.Doğu Perinçek

Offener Brief an den Präsidenten: Die Richtige Strategie Und Das Richtige Ziel Für Den Sicheren Sieg

Der Präsident hat erklärt, dass eine militärische Operation östlich des Euphrats unmittelbar bevorsteht.
Des Weiteren hat er als Ziel der Operation die Errichtung einer 30 km tiefen und 120 km langen Sicherheitszone verkündet. Diese Sicherheitszone wird in manchen Reden als „Friedenskorridor“ bezeichnet.
Es stimmt, für den inneren Frieden und die Sicherheit an unseren Grenzen ist eine militärische Operation notwendig. Nachdem die PKK in ihren eigenen Schützengräben besiegt und der Militärputsch der Fethullah Terrororganisation (FETÖ) niedergeschlagen und die Operationen “Schutzschild Euphrat“ und „Olivenzweig“ erfolgreich beendet wurden, steht nun, im Sinne des Kampfes gegen den separatistischen Terror, der Osten des Euphrats auf der Tagesordnung.

Das Ziel: Die Zerstörung Der PKK

Der Türkei hat sich eine historische Gelegenheit geboten. Jedoch sind wir aufgefordert Ziel und Strategie der militärischen Operation richtig festzulegen.
Unter den vorherrschenden Bedingungen kann eine Sicherheitszone nicht das Ziel sein, denn sie führt nicht zur Zerstörung der PKK, sondern vertreibt sie nur 30-40 km in den Süden. Schließlich wird die PKK ihre Präsenz südlich der Sicherheitszone fortführen. Was wird dann der nächste Schritt sein, eine Sicherheitszone für die Sicherheitszone? Wird dann die Rede von einer zweiten Sicherheitszone noch weiter im Süden sein?
Das Ziel muss die Eliminierung der PKK sein.
Mit Eliminierung ist die Zerschlagung des Kampfwillens des Feindes gemeint. Heute sind die besten Bedingungen, den Widerstandswillen der PKK endgültig zu brechen, gegeben.

Der passende Moment und die passenden Bedingungen zur Beseitigung der PKK

Die USA sind mit ihren Waffen nach Westasien gekommen, nun sind es die Waffen der westasiatischen Staaten, die die USA zur Niederlage zwingen. Infolgedessen haben die von den USA und Israel gelenkten Terrororganisationen ihren Beschützer verloren. Die passenden Bedingungen zur Beseitigung der PKK sind jetzt gegeben und der richtige Zeitpunkt steht vor der Tür.
Wohlgemerkt:
Der richtige Zeitpunkt ist vorhanden, für die Zerstörung der PKK.
Die vorliegenden günstigen Bedingungen, sind ebenfalls für die Zerstörung der PKK.
Heute gibt es zwei Voraussetzungen dafür:
Die Entschlossenheit der Türkei zu den Waffen zu greifen. Es ist ersichtlich, dass der Präsident, mit Beachtung der hinter der PKK stehenden USA, entschlossen ist die Waffen zu benutzen. Bis hierhin gibt es kein Problem.
Die Zusammenarbeit mit dem Iran, Irak, Russland und vor allem mit Syrien. Auch aus dieser Sicht haben die Bedingungen eine historische Reife erlangt.
Syrien hat am 14. September 2019, dem Vortag des Astana-Gipfels in Ankara, eine Generalamnestie verkündet. Somit ist eine Situation geschaffen, die die Bedingungen zur Entwaffnung der von der türkischen Regierung kontrollierten syrischen Organisationen, in höchstem Maße begünstigt.
Noch wichtiger ist der Brief des syrischen Außenministers Walid al-Muallim vom 16. September an das UN-Generalsekretariat, in dem er erklärt, dass die PKK, YPG, YDP und SDF von den USA und Israel gesteuerte Terrororganisationen sind und die Entschlossenheit zu deren Säuberung betont. Die Rede ist nicht von irgendeiner Erklärung während einer Pressekonferenz, sondern von einer offiziellen Mitteilung den Vereinten Nationen gegenüber. Aufgrund dessen hat die Tatsache, dass die PKK eine Terrororganisation ist, durch die offizielle Haltung Syriens Bestätigung gefunden und vor internationalem Recht an Wert gewonnen.

Eine Gelegenheit für die Türkei serviert auf dem Silbertablett

Die klare Haltung Syriens der UN mitzuteilen, die PKK ausschalten zu wollen, ist gleichzeitig ein Aufruf an die Türkei. Der Staat hat hiermit der Weltöffentlichkeit angeboten gemeinsam gegen den separatistischen Terror vorzugehen.

Auch Russland und der Iran sind bezüglich des Kampfes gegen die PKK bereit, das gemeinsame Vorgehen Syriens und der Türkei zu unterstützen. Die Aussage des russischen Präsidenten Putin während der Pressekonferenz nach dem Gipfel in Ankara, „die militärischen Operationen Syriens zur Bekämpfung des Terrors zu unterstützen“ ist äußerst Ernst zu nehmen. Ebenfalls bedeutsam sind die Worte des iranischen Präsidenten Rohani über „die Notwendigkeit die territoriale Integrität und Souveränität Syriens herzustellen“.
Die syrische Souveränität ist gleichbedeutend mit dem Alleinrecht auf Waffengewalt. Auf syrischen Boden ist anderen Organisationen dieses Recht entzogen, das Gewaltmonopol gehört dem syrischen Staat. Dies ist der Weg und die Lösung, das Terrorproblem an den Wurzeln zu packen. Diese Lösung macht eine türkisch-syrische Zusammenarbeit unabdingbar. Das ist der Grund, wieso sich Russland und der Iran stets auf das Adana-Abkommen berufen. Das Adana-Abkommen vom 20. Oktober 1998, war die Übereinkunft der Türkei und Syriens zur Zusammenarbeit gegen den PKK Terror und führte zu Ergebnissen. Zusammengefasst, der Türkei bietet sich heute eine Chance auf dem silbernen Tablett.

Entgegen dieser Zusammenarbeit wird die PKK die weiße Flagge hissen

Eine türkisch-syrische Zusammenarbeit wird dazu führen, dass sich die PKK, ohne den Einsatz von Gewalt, ergeben wird. Die Zusammenarbeit mit Syrien bedeutet gleichermaßen die Zusammenarbeit mit Russland, dem Iran und Irak. Die Gemeinschaft der Länder der Region hat jeder Prüfung standgehalten und ist zum Erfolgsmodell aufgestiegen. Das im September 2017 von den USA und Israel mithilfe ihrer Marionette Barzani angezettelte sogenannte „Kurdistan Referendum“ wurde durch die Solidarität in der Region vereitelt. Die Umstände für diese Solidarität sind inzwischen sogar um einiges besser. Daraufhin wird der PKK Führung auf den Kandil-Bergen nichts anderes mehr übrig bleiben als die weiße Flagge zu hissen. Deswegen ist die Zusammenarbeit mit Syrien die ausschließliche Lösung, um gegen die Terrororganisation PKK einen unanfechtbaren Sieg zu erzielen. Militärische Operationen außerhalb dessen, haben es nicht zum Ziel den PKK Terror auf ewig zu beenden. Deshalb bedeutet die Sicherheitszone, dass die Gelegenheit zur endgültigen Vernichtung der PKK aus der Hand gegeben wird.

Die unüberwindbaren Probleme der Sicherheitszone

Die Sicherheitszone ist lange nicht so sicher, wie es der Name verspricht. Allein die Auflistung der Probleme, die die Sicherheitszone verursacht, reicht um den Ernst der Lage bewusst zu werden.
Wir sind fassungslos. Der Präsident hat so viele Berater, das Außenministerium hat einen breiten Stab an Mitarbeitern, macht sich dort keiner Gedanken über folgende Fragen:
Welcher Staat wird in der Sicherheitszone der Souverän sein?
Welcher Staat wird in der Sicherheitszone das Gewaltmonopol innehaben?
Die Verfassung welchen Staates wird dort gültig sein?
Nach welchem Handels- und Schuldrecht werden ökonomische Aktivitäten und der Handel betrieben?
Nach welchem Strafrecht werden Straftäter verurteilt?
Die Gerichte welchen Staates werden die Prozesse durchführen?
Der Präsident sagt, dass er in der Sicherheitszone einen Wohnraum für Millionen von Menschen schaffen wird. Nach welchem Eigentumsrecht werden die Grundbucheinträge vorgenommen?
Welcher Staat wird das Gesundheits- und Bildungswesen führen?
Wird die Türkei in die Sicherheitszone nicht nur Soldaten verlegen, sondern auch das Recht, Gerichte, Polizeiwachen, Grundbuchämter, Postfilialen, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten, Museen, Theater, Sporthallen, Stadien, die Stadtverwaltung, Straßen, Schienennetz, Flughäfen oder alles in Allem, die Staatsorganisation mit sich bringen?

Die Sackgasse des „Friedenskorridors“

Klären die Berater, das Außenministerium, Verantwortliche des Militärs den Präsidenten bezüglich fundamentaler Themen wie Staatssouveränität, territoriale Integrität, Gewaltmonopol und Verfassung und wie diese miteinander zusammenhängen nicht auf?
In den Dokumenten des Astana Prozesses wird die „Souveränität des syrischen Staates“ zugesichert. Das kann nur eines bedeuten: Auf syrischen Hoheitsgebiet gilt ausschließliche die syrische Autorität, die keine Konkurrenz akzeptiert. Sowohl die Legislative, als auch die Exekutive und die Judikative sind im Monopol des syrischen Staates.
In den Astana Dokumenten und in unseren eigenen Staatsdokumenten ist die „territoriale Integrität Syriens“ unantastbar. Folglich sind auf syrischem Boden einzig und allein die Streitkräfte Syriens für die öffentliche Ordnung zuständig. Das einzige Gewaltmonopol geht vom syrischen Staat und von der Armee aus. Verbündete können der syrischen Armee für die syrische Einheit und die Bekämpfung des Terrors behilflich sein, mit Einverständnis oder zumindest Absprache der syrischen Regierung.
In einem Staat kann es nur eine bewaffnete Organisation geben. Wenn es zwei bewaffnete Organisationen gibt, ist dies nur vorrübergehend, die eine wird von der anderen unausweichlich aufgelöst werden.
Wenn in Folge der Sicherheitszone im „Friedenskorridor“ nicht die Souveränität, die Verfassung und das Gewaltmonopol Syriens gilt, wird dann die Souveränität und die Verfassung der Türkei in Kraft treten? Selbst wenn wir das Völkerrecht bei Seite stellen, welche Antwort werden die internationalen Bedingungen diesen Fragen geben? Kann es auf der ganzen Welt nur einen einzigen Staat geben, der diese Lösung begrüßt?
Oder schauen wir einfach auf uns. Selbst die Türkische Republik mit ihrem tausende Jahre alten Staatsverständnis wird dies nicht akzeptieren.
Da die Türkei in der Sicherheitszone nicht beständig sein wird, wäre es nicht sinnvoll von Anfang an eine Strategie für die territoriale Integrität Syriens aufzustellen?

Die unhaltbare Strategie

Die Strategie bestimmt den Weg zum Ziel und bestimmt die dafür vorgesehenen Instrumente. Daher legt die Strategie die für das Ziel passende Positionierung und auch die verbündeten und feindlichen Kräfte fest.
Die Debatte über die Sicherheitszone führt dazu, dass sich unsere Freunde von uns abwenden, wir uns isolieren und der Gegner dadurch mehr Handlungsspielraum gewinnt.
Wie kann eine Sicherheitszone, die jetzt schon Misstrauen und Ungewissheit zwischen der Türkei, Russland und dem Iran erzeugt Fortbestand haben?
In Anbetracht der drohenden Gefahr im östlichen Mittelmeerraum und in Zypern und der schwierigen wirtschaftlichen Lage unseres Landes, ist es da richtig unser Bündnispotenzial in Frage zu stellen ?
In einer Zeit in der die USA und Israel auf der Lauer liegen, müssen in der Türkei doch seriöse Staatsleute vorhanden sein, die den Folgen falscher Ziele und Strategien Rechnung tragen können.
Eine falsche Strategie, die uns in Auseinandersetzungen mit unseren strategischen Partnern bringt, gefährdet unsere vorteilhafte Position und verschafft der USA und Israel eine bessere Ausgangslage. Mit welchen Verbündeten würden wir dann den entstehenden Problemen entgegenwirken können?
In der Sicherheitszone gibt es keine Sicherheit und keinen Frieden, dort gibt es nur die Ungewissheit, das Chaos und die Zwietracht.

Appell an unseren Präsidenten

Nun sind die Bedingungen vorhanden, in der die entschlossene Anwendung von Waffengewalt durch die türkische Regierung und der Mut unserer Soldaten den endgültigen Sieg schaffen werden.
Die Zerschlagung der PKK in den Schützengräben seit dem 24. Juli 2015, die Niederschlagung des von der FETÖ organisierten Militärputsches und die türkischen Millitäroffensiven "Schutzschild Eurphrat" und "Olivenzweig" haben dem Weg zum unanfechtbaren Sieg geebnet. Auf diesem Weg sollte das Ziel dieser Offensive keine Schutzzone sein, sondern die endgültige Zerschlagung der PKK und das Hissen der weißen Flagge durch die Kandil-Führung. Dafür sollten wir uns auf dem durch das Adana-Abkommen 1998 eröffneten Pfad bewegen und das gemeinsame Erfolgsmodell mit den westasiatischen Staaten suchen. Das ist die einzige Lösung, die uns zum sicheren Sieg führt.

Doğu Perinçek

Aydınlık, Rota, 10 Ekim 2019